Der Führerstand der BR 294


Die V90 - die Rangierlok für den schweren Rangierdienst:

Die Baureihe 290 wurde für den schweren Rangierdienst, sowie für Bedien- und Übergabefahrten konzipiert. Die Lok ist eine Weiterentwicklung aus den Streckenlokomotiven der Baureihenfamilie V100 (BR 211 und BR 212) der Deutschen Bundesbahn. Die V90 ist gegenüber der V100 deutlich schwerer und robuster im Rangierdienst.
Nachdem ab dem Jahr 1964 die Vorserienmaschinen (20 Stück) mit dem kleineren Motor der BR 211 ausgeliefert wurden, begann ab 1966 die Auslieferung der ersten Serienmaschinen. Unterschied zu den Vorserienloks ist der etwas stärkere Motor (809 kW/1100 PS) der BR 212 und der damit um 10 km/h auf 80 km/h heraufgesetzten Höchstgeschwindigkeit. Insgesamt wurden 408 Loks ausgeliefert.
Spezielle Ausrüstungen:
Einige Loks der Baureihe 290 erhielten anstatt des Motors der BR 212 einen 8-Zylinder MaK-Reihenmotor. Diese Loks werden als Baureihe 291 geführt und nur im Norden Deutschlands eingesetzt.
Für den Ablaufbetrieb an großen Rangierbahnhöfen (z.B. München-Nord) erhielten einige Loks eine spezielle Ablaufbergfunkfernsteuerung. Mit dieser Funkfernsteuerung wird die Lok vom Bergmeister ferngesteuert und der Lrf (Lokrangierführer) auf der Lok überwacht die Geschwindigkeiten beim Abdrückvorgang. Nach dem Abdrücken rangiert der Lrf die Lok an den nächsten Zug zum Abdrücken.
Ab 1995 wurden einige Loks der Baureihe 290 und 291 mit einer Funkfernsteuerung der Firma Krauss-Maffei ausgerüstet. An einem Rechnerschrank in der Lok kann gewählt werden, ob die Lok manuell oder im Funkbetrieb gefahren werden soll. Wird die Lok im Funkbetrieb gefahren, kann der Lrf die Lok mit einem Fernsteuerbediengerät (FBG) steuern und somit selbst die Spitze einer geschobenen Rangierfahrt besetzen. Umgebaute Loks der Baureihe 290 werden nun als Baureihe 294 bezeichnet, umgebaute Loks der Baureihe 291 werden als Baureihe 295 bezeichnet. Außerdem erhielten die Loks der BR 294/295 zur Arbeitserleichterung und Beschleunigung der Rangierarbeiten eine automatische Rangierkupplung RK 900.
Als Baureihe 296 werden diejenigen Maschinen bezeichnet, die über den Bergfunk zum Abdrücken und zusätzlich über die Funkfernsteuerung von Krauss-Maffei verfügen. Diese Loks sind in Mannheim, Seelze und an verschiedenen Standorten in Nordrheinwestfalen beheimatet.
Remotorisierungsprogramm:
Seit 2003 werden Loks der Baureihe 290 und 294 mit einem neuen Motor ausgerüstet. Der neue Motor des Typs 8V 4000 R41 von MTU leistet 1000 kW/1360 PS und ist damit leistungsstärker als der Vorgängermotor. Neben dem neuen Motor werden bei dem Umbau auch eine neue Lüfteranlage, sowie ein neuer Luftpresser (anstelle von bisher 2 Luftpressern) eingebaut. Die Ordnungsnummer der als „Remot-Loks“ bezeichneten Maschinen wird dabei um 500 erhöht. (Beispiel: Aus der 290 188 wurde nach dem Umbau die 290 688)
Zukunft:
In nächster Zeit sollen die Loks der BR 291/295 durch neuere Loks ersetzt werden. Nachfolger wird die bereits bestellte Voith Gravita sein. Vor allem die Loks der Baureihe 294 sind aber momentan aus dem Rangierdienst nicht wegzudenken.


Technische Daten:

Baujahr
1964 bis 1974
Stückzahl
408
Hersteller
Henschel, Jung-Jungenthal, Krauss-Maffei, Krupp, MaK, Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD)
Achsanordnung
B`B`
Kleinster befahrbarer Radius
R = 80 m
Kleinster befahrbarer Scheitelhalbmesser
R = 200 m
Höchstgeschwindigkeit

Rangiergang: 40 km/h
Schnellgang: 80 km/h
Schleppgeschwindigkeit: 80 km/h

Kleinste Dauergeschwindigkeit
Rangiergang: 3 km/h
Streckengang: 9 km/h
Größte Anfahrzugkraft
(bei mittlerer Reibung und vollen Vorräten)
Rangiergang: 201 kN
Länge über Puffer
14,32 m
Dienstgewicht
80 t
Kraftstoffvorrat
3250 Liter (bei 90% Füllung)
Sandvorrat
ca. 450 kg
Motoren

MTU DM 8V 4000 R41 (BR 290/294 Remot)
MTU MB 12 V 652 TZ (TA) 10 (BR 290/294 vor Remot)
MaK 8 M 282 AKB (BR 291/295)

Leistung

1000 kW/1360 PS bei 1800 U/min (BR 290/294 Remot)
809 kW/1100 PS bei 1400 U/min (BR 290/294 vor Remot)
809 kW/1100 PS bei 927 U/min (BR 291/295)

Ölinhalt (min/max)
85 / 115 Liter (BR 290/294 Remot)
104 / 141 Liter (BR 290/294 vor Remot)
215 / 265 Liter (BR 291/295)

Kraftübertragung
hydraulisch
Verbrauch

Dieselkraftstoff:
Leerlauf: ca. 12 l/h
Vollast: ca. 230 l/h

Motoröl:
0,5% des Kraftstoffverbrauchs (bei BR 290/294 Remot)


Unterschiede zwischen 290 und 294:

Aufgrund der eingebauten Funkfernsteuerung bei der Baureihe 294 unterscheidet sich diese von der Baureihe 290 folgendermaßen:

Baureihe 290
Baureihe 294
   
Äußeres Erscheinungsbild
Die Baureihe 290 entspricht äußerlich - von verschiedenen Farbschemen abgesehen - weitgehend ihrem Auslieferungszustand. Ausgeliefert wurde sie in purpurrot. Anschließend erhielt sie das ozeanblau-beige Farbschema. Ende der 80er Jahre wurde sie schließlich in orientrot umlackiert, bevor sie das aktuelle verkehrsrote „Farbkleid“ der DB AG erhielt. Die Baureihe 294 wurde beidseitig für den Funkbetrieb mit Sichtmeldern neben den Führerstandsfenstern ausgestattet.
Diese leuchten, wenn die Lok im Funkbetrieb gesteuert wird.
Die Baureihe 294 besitzt außerdem eine automatische Rangierkupplung RK 900 an beiden Enden der Lok.
   
     

V 290, purpurrot
V 90, oceanblau/beige
V 90, orientrot
BR 290, keine Remot
BR 290, Remot
     
BR 294, Remot
BR 294, keine Remot
BR 296
Rangierkupplung

Alle Loks der Baureihen 290 und 294 haben bei ihrer Remotorisierung Umlaufgitter erhalten.

   
   
Unterschiede auf dem Führerstand
 
Fahrsteuerung

Handrad BR 290
Bedienpult BR 294
Bei der BR 290 wird die Leistung durch Drehen an dem Handrad aufgeschaltet. Es wird damit ein Steuerluftdruck für die Getriebefüllung und die Motordrehzahl vorgegeben. Die Fahrsteuerung erfolgt bei der Baureihe 294 mit dem Bedienpult. Von dem Bedienpult aus werden elektrische Befehle über den Fernsteuergeräteschrank (FGS) an den E/P-Wandler weitergegeben und dort in einen Steuerluftdruck umgewandelt, welcher die Getriebefüllung sowie die Motordrehzahl vorgibt.
Die Steuerung erfolgt zeitabhängig mit den Stufen „Leistung ab“, „Leistung konstant“ und „Leistung auf“.
Bei einer technischen Störung kann mit dem Feinregelventil „Hilfssteuerung“ auf dem Führerpult direkt ein Steuerdruck zwischen 0 und 6 bar vorgegeben werden. Somit kann die Strecke bei einer Störung geräumt werden.
   
Bremseinrichtungen 
Führerbremsventil, BR290
Zusatzbremsventil, BR290
Notbetrieb indirekte Bremse, BR294
Die ersten Loks der Baureihe 290 wurden anfangs mit einem Führerbremsventil Knorr Nr. 8 ausgerüstet, später gelieferte Maschinen erhielten von Beginn an das Westinghouse WF 2 Führerbremsventil. (ab 290 071)
Zusätzlich ist für die Lokbremse ein Zusatzbremsventil eingebaut.

Bei der Baureihe 294 wird die Bremse ebenfalls über das Bedienpult gesteuert. Dabei muss der Kipptaster „Bremswahl“ entweder in die Zug- oder in die Lokbremse getastet werden. Über den Fahrbremsschalter kann dann über die Stufen „Bremse anlegen“, „Bremse konstant“ und „Bremse lösen“ die Bremskraft vorgegeben werden. Eine Schnellbremsung (Hauptluftleitung vollständig entlüftet) kann nur über den Schlagtaster eingeleitet werden.
Bei einer Störung kann über das ehemalige Zusatzbremsventil nach vorheriger Umschaltung auf „Notbetrieb indirekte Bremse“ die Zugbremse gesteuert werden.
   
 



Aufbau der Baureihe 290/294 (Gemeinsamkeiten):

Fahrdieselmotor:

MTU MTU DM 8V 4000 R41 (Remot-Motor) im vorderen Vorbau,
Common Rail Diesel mit 8 Zylindern

Abgasturbolader:

Zur Leistungssteigerung des Dieselmotors wird mit Hilfe von Abgasen angesaugte Luft verdichtet
Der Gesamtwirkungsgrad des Motors wird damit um knapp 100% gesteigert
Der Höchstdrehzahl des Turboladers liegt bei etwa 36000 U/min
Der Aufladedruck beträgt bis zu 2 bar

Getriebe:

Voith Getriebe L 206rs unter dem Führerstand
2 Flüssigkeitswandler, Wendeschaltung (elektropneumatisch), Stufengetriebe (Rangier- und Schnellgang)
Höchstzulässige Öltemperatur: 120°C

Übertourungsschutz:

Schützt das Getriebe bei Geschwindigkeiten über der zulässigen Fahrzeughöchstgeschwindigkeit vor Schäden (löst eine Zwangsbremsung aus)
Zum Zurückstellen nach dem Ansprechen des Übertourungsschutzes muss die Kappe wieder reingedrückt werden.

Füllmagnet:

Zur Steuerung der Getriebefüllung
Im Störungsfall kann dieser mit einem Holzkeil unterkeilt werden, das Getriebe ist dadurch ständig gefüllt

Lüfteranlage:

Voith Lüfteranlage zur Kühlung von
- Hauptkühlkreislauf
- Nebenkühlkreislauf (Ladeluftkühler)
- Getriebeöl
- Hydrostatiköl (Lüfteranlage und Luftpresser)
Die Drehzahl des Lüfters ist abhängig von den Temperaturen der oben genannten Kreisläufe

Luftpresser:

Schraubenkompressor Bk 34-s/11
Hydraulisch angetrieben durch Antriebspumpen an der Kurbelwelle des Motors
Notschaltung für einen Dauerbetrieb ist möglich, der Luftpresser muss dann von Hand im Führerstand mit einem Kippschalter ein- bzw. ausgeschaltet werden.

Lufttrocknungsanlage:

Einige Loks der Baureihenfamilie 290 sind mit einer Lufttrocknungsanlage ausgerüstet
Diese entzieht der von dem Luftpresser verdichteten Luft die Feuchtigkeit und das Öl
Loks mit einer Lufttrocknungsanlage besitzen keinen Kondensatabscheider zur Entwässerung

Hauptluftbehälter:

2 Hauptluftbehälter mit je 500 L
Regeldruck zwischen 8,5 und 10 bar
Versorgung der Druckluftbremse, aller Luftbehälter und anderen Verbrauchern von Druckluft

Steuerluftbehälter:

Zur Regelung der Getriebefüllung und der Drehzahlverstellung des Dieselmotors
Zur Durchführung einer Wendeschaltung

Spurkranzschmierung:

Mechanisch durch die Bewegung der Räder angetrieben
Durch Luft aus dem Hauptluftbehälter wird in regelmäßigen Abständen eine Fettmenge zur Verbesserung der Laufeigenschaften ausgesprüht
Bei einer Störung lässt sich die Spurkranzschmierung absperren


Vorwärmanlage:

Ast Loos Vorwärm- und Warmhalteanlage im vorderen Vorbau
Erwärmt das Kühlmittel und dadurch auch das Motoröl sowie den Dieselkraftstoff auf Betriebstemperaturen zum Starten des Dieselmotors

Anlassschütz:

Das Anlassschütz zieht beim Startvorgang des Motors an, wenn alle Einschaltbedingungen erfüllt sind
Über das Anlassschütz fließen kurzzeitig mehrere hundert Ampere zur Lichtanlassmaschine

Lichtanlassmaschine:

Die Lichtanlassmaschine dreht bei abgestelltem Dieselmotor den Motor zum Startvorgang durch(etwa 200 U/min)
Bei laufendem Motor erzeugt die Lichtmaschine Energie zur Stromversorgung der elektrischen Verbraucher und lädt die Batterie nach

Lichtmaschinenregler:

Der Lichtmaschinenregler hält die Ladespannung bei unterschiedlicher Motordrehzahl und Belastung des Motors zwischen 120 und 130 Volt konstant

Netzgerät:

Das Netzgerät bezieht seinen Strom aus einem Fremdanschluss und sichert somit die Nachladung der Batterie bei längeren Abstellzeiten
Es werden bei Anschluss am Netzgerät unter anderem die Regelung für die Vorwärm- und Warmhalteanlage sowie der Zugfunk mit Strom versorgt

Handbremse:

Die Handbremse ist eine mechanische Bremse zum Abstellen und Sichern der Lok
Die Handbremse wirkt auf die linken Radreifen des hinteren Drehgestells

 
Anordnung der Bauteile auf der Baureihe 294:
 

Besonderheiten der Baureihe 294 (Funkfernsteuerung):
   
Um die Aufgaben des Rangierbegleiters und des Lokführers gleichzeitig wahrnehmen zu können, benötigt der Lrf (Lokrangierführer) eine Möglichkeit, die Lok von der Spitze einer geschobenen Rangierfahrt aus steuern zu können. Hierzu benutzt der Lrf ein Fernsteuerbediengerät (FBG), welches Funksignale an das „Empfänger- und Batterieladegerät“ sendet. Von dort aus gelangen die Signale an den Fernsteuergeräteschrank. Dieser wertet die Signale aus und gibt bestimmte Befehle weiter an das Luftgerüst zur Fahrsteuerung. Bis zu einer Entfernung von 700 Metern zwischen Fernsteuerbediengerät und Lok ist die Funkfernsteuerung möglich. Auch im manuellen Betrieb bei Fahrt mit dem Bedienpult ist der Fernsteuergeräteschrank für die Signalverarbeitung zuständig.
   

Fernsteuergeräteschrank:

Der Fernsteuergeräteschrank (FGS) ist das Herz der Funkfernsteuerung
Hier werden die Funksignale aus dem Fernsteuerbediengerät (FBG) bzw. die Signale von dem Bedienpult aufgenommen und verarbeitet
Der FGS überwacht bestimmte Werte, die nicht vom Fernsteuerbediengerät aus gesehen werden können, z.B. Kühlwassertemperatur und Getriebeöltemperatur
Bei einer Störung können mit Überbrückungsschaltern auch gewisse Überwachungen abgeschaltet werden, allerdings ist dann kein Funkbetrieb mehr möglich
Es kann zwischen einer Höchstgeschwindigkeit zwischen 10, 15 oder 25 km/h gewählt werden, da hierzu keine Anzeige auf dem Bediengerät vorhanden ist

   

Batterieladegerät:

Das Batterieladegerät hat die Aufgabe die Batterien der Fernsteuerbediengeräte wieder aufzuladen
Bei dem Ladegerät erfolgt auch die Übertragung der Loknummer auf die Batterie, um sicherzustellen, dass bei dem späteren Funkbetrieb jeder Auftrag auch nur von der zugehörigen Lok ausgeführt wird
Bei Funkbetrieb ist das Batterieladegerät zugleich der Empfänger der Funksignale
Die Funksignale werden an den Fernsteuergeräteschrank weitergegeben

   

Fernsteuerbediengerät:

Das Fernsteuerbediengerät (FBG) ersetzt das Bedienpult für den Lrf auf der Spitze des Zuges
Von hier aus werden alle Aufträge an das Empfängergerät (Batterieladegerät) gesendet
In dem FBG ist ein Neigungsschalter eingebaut, der die Sicherheitsfahrschaltung (Sifa) ersetzt
Außer dem Fahrbremsschalter befinden sich noch Taster zum Steuern von Sand, Pfeife, Angleichen, der Rangierkupplung und zur Berganfahrt
Mit einem Kippschalter kann zwischen der Lok- und der Zugbremse gewählt werden sowie die Fahrtrichtung der Lok eingestellt werden
Für den Notfall ist ein Schlagtaster eingebaut, der eine Schnellbremsung einleitet


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© Dominik Recker